Inspektion

Wie Benetzungstests mit Endoskop-Inspektionssystemen gelingen

Qualität der Schutzbeschichtung sicherstellen

Die Verarbeitung von Lacken, Klebern oder anderen Stoffen ist in der modernen Elektronikfertigung ein fester Bestandteil. Wie bei allen Fertigungsprozessen gibt es auch beim Lackieren oder Kleben qualitätsentscheidende Parameter. Wie kann ein Videoendoskop als Inspektionssystem hierbei helfen?

Lacke zum Schutz der Baugruppe sind ebenso Stand der Technik wie Fügeprozesse mit Klebern oder das Vergießen von Bauteilen oder Baugruppen. Allerdings können Verunreinigungen auf dem Trägermaterial beispielsweise zu Entnetzungen führen. Möglich ist zudem, dass sich das Trägermaterial aufgrund seiner Oberflächenchemie mit einem bestimmten Stoff gar nicht benetzen lässt. Daher ist man bei Zollner Elektronik bestrebt, diese Mechanismen der Benetzung, besonders von Leiterplatten beim Conformal Coating (Schutzlackieren), vollständig zu verstehen. Hier kommen spezielle, stetig weiterentwickelte Analysemethoden zur Anwendung.

Entnetzungseffekten begegnen

Gängige Techniken, um zu bewerten ob sich eine Oberfläche mit einem bestimmten Lack benetzen lässt, zeigen in der Praxis jedoch oft Schwächen: Es kann durchaus vorkommen, dass eine verwendete Testtinte indiziert, die Benetzung funktioniere problemlos und in der Serienproduktion treten dennoch Entnetzungseffekte auf. Daher haben verschiedene Hersteller feinere Analysetechniken gemäß DIN EN 828 entwickelt. Die Norm beschäftigt sich mit Klebstoffen, Benetzbarkeit, Bestimmung durch Messung des Kontaktwinkels und der freien Oberflächenenergie fester Oberflächen. Derartige Messverfahren kommen auch bei Zollner zum Einsatz. Dr. Anette Lätsch, tätig im Bereich Analysis and Material Technology Research, kennt die Verfahren und erläutert: „Die Oberflächenspannungen der Benetzungspartner werden nach ihrem polaren und ihrem dispersiven Anteil bewertet. Das erlaubt eine präzisere Aussage, ob beispielsweise ein Lack oder Kleber dauerhaft auf einer Oberfläche haftet”.

Die Verfahren arbeiten so, dass anhand der Benetzung einer Oberfläche mit feinen Tropfen diverser Medien die sogenannten Kontaktwinkel (Benetzungswinkel) gemessen werden. Dafür werden ein polares Lösungsmittel (Wasser) und ein unpolares Lösungsmittel (Diiodmethan) verwendet. Aus den gemessenen Kontaktwinkeln der beiden Tropfen lässt sich die freie Oberflächenenergie des Trägers berechnen. Anschließend ist es möglich, Vorgaben zur chemischen Beschaffenheit von Lötstopplack oder Schutzlack abzuleiten und Benetzungsprobleme von vornherein auszuschließen. Bei Zollner entsteht so nach und nach eine Datenbasis, die Verträglichkeit oder Unverträglichkeit von Beschichtungspartnern auflistet.

Zusätzlich werden Erkenntnisse gewonnen, inwieweit beispielsweise plasmabehandelte Oberflächen besser benetzbar sind als unbehandelte. Heute kann bereits so viel gesagt werden: Die Zeite zwischen Behandlung und Klebevorgang ist ein äußerst relevanter Faktor.

Endoskop-Inspektionssystem auf Abwegen

Welche Rolle spielt nun das Ersascope 2 von Ersa in diesem Zusammenhang? Immerhin stellt das Inspektionssystem eine Komplettlösung zur Inspektion von BGA, CSP, Flip Chip, Fersenfüllung, THT-Durchstieg und anderen verdeckten Lötstellen dar – also weit entfernt von typischen Schutzbeschichtungsanforderungen. Oder? Bei den Arbeiten im Analyselabor bemerkte das Team um Dr. Lätsch schnell, dass es Anwendungen gibt, bei denen sich das verwendete Prüfsystem trotz sehr kompakter Bauweise nicht einsetzen lässt. „Bei Klebeprozessen in Nuten oder bei Vergussprozessen sind die zu analysierenden Oberflächen unter Umständen sehr klein“, erläutert die Expertin und merkt weiter an: „Wir haben deshalb nach einer Alternative gesucht, wie wir auch bei solchen Verhältnissen Messungen zuverlässig durchführen können.“

In der Diskussion erinnerte man sich an die Verwendung des Ersascope 2 zur optischen Analyse verdeckter Lötstellen. Zollner setzt das Inspektionssystem von Ersa nun wie folgt ein: Zunächst werden per Handpipette die Lösungsmitteltropfen aufgebracht. Mit der Optik des Ersascope lassen sich diese auch bei sehr beengten Platzverhältnissen auf der zu untersuchenden Oberfläche von der Seite fotografieren. Gute und homogene Beleuchtung voraus gesetzt, ist es möglich, den Kontaktwinkel im Bild zu messen und durch die hohe Genauigkeit eine Aussage zur Benetzbarkeit treffen zu können. Die Eignung des Ersascope-Inspektionssystems für diese Anwendung beruht auch auf der Tatsache, dass die optische Pupille der 90-Grad-Optik sehr nahe an der Probenoberfläche liegt. So kann der Tropfen, ähnlich wie bei der BGA-Inspektion, aus einem optimalen Winkel aufgenommen werden.

Das Ersascope 2 ist somit eine sehr gute Ergänzung, um ein bereits etabliertes Verfahren zu verfeinern und bei geometrisch kritischen Verhältnissen anwendbar zu machen. Die hohe Übereinstimmung von Messergebnissen des automatischen Prüfsystems und der manuellen Messung an Bildern, die mit dem Ersascope aufgenommen wurden, hat Zollner überzeugt. Es eröffnet sich ein zusätzliches Anwendungsgebiet für dieses Messgerät. Das belegt, dass sich der zuverlässige Einsatz des Videoendoskops nicht allein auf die Analyse verdeckter Lötstellen beschränken muss.

Autor des Artikels

Jörg Nolte Produktmanager Lötwerkzeuge, Ersa GmbH

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