Selektivlöten

Keine Angst vor KI in der Elektronikproduktion

Wir leben in einer Welt, die zunehmend von Digitalisierung und Vernetzung bestimmt wird. Diese Entwicklung dringt auch in Fertigungsbereiche vor, die seit langer Zeit vom impliziten Fachwissen und der Erfahrung einzelner Mitarbeiter geprägt sind. Die Forderung nach deren Unabhängigkeit führt zum Einsatz neuer Technologien. Assistenzsysteme spielen dabei eine wesentliche Rolle, um das Personal in den Fertigungen in ihren Entscheidungen zu unterstützen.

In der Fertigung elektronischer Baugruppen ist die Qualität der Endprodukte nicht nur von den Prozessen der Fertigungslinien abhängig, sondern auch ganz maßgeblich von der Qualität der Leiterplatten, Bauteile und Betriebsstoffe. Diese Faktoren unterliegen mannigfaltigen Wechselwirkungen. Das Verständnis über deren Zusammenhänge ist in der Regel implizites Wissen der Mitarbeiter/innen, die es sich im Lauf der Berufstätigkeit durch Erfahrung aneignen. Nur ein geringer Teil dieses Wissens wird in Form von Arbeitsanweisungen oder Fachberichten expliziert.
Diese Tatsache bedeutet im Umkehrschluss, dass die Qualität in der Elektronikfertigung von einzelnen Mitarbeitern/innen abhängt. Verlassen diese das Unternehmen, geht im schlimmsten Fall wertvolles Wissen verloren. Derartige Abhängigkeiten sind nicht akzeptabel. Aus diesem Grund besteht in der Industrie der Wunsch nach immer mehr Plausibilitätskontrollen und Prozessunterstützungsmaßnahmen die parallel zu bereits bestehenden Prozessüberwachungen an den einzelnen Anlagen das Personal unterstützen.

Eine Fertigungslinie zur Produktion von SMT Baugruppen ist immer nach dem gleichen Schema aufgebaut. Im ersten Schritt erfolgt der Lotpastendruck, dann die Bauteilbestückung und anschließend der Refl owlötprozess. Die einzelnen Prozessschritte lassen sich einfach überwachen. Lotpastenvolumen, Bestückversatz und die Thermik in Refl owsystemen stellen physikalische Größen dar, die relativ einfach messbar sind. Dem gegenüber stehen nicht messbare Größen, wie z.B. die Benetzbarkeit von LP-Oberfl ächen und Bauteilen. Tritt ein vermeintlicher „Lötfehler“, in Form einer offenen Lötstelle auf, ist dieser nicht unmittelbar einem Prozess der Linie zuzuordnen. An diesem Punkt greift die Vernetzung. Der Fehlerort wird mit Bauteiltyp und Layout und Produkt verknüpft. Vergleicht man nun die AOI-Daten mit dem Bauteiltyp, dem Layout und die Fehlerhäufi gkeit auf anderen Produkten, lassen sich interessante Details auswerten. Die Rückschlüsse ermöglichen Aussagen zum Einfl uss des Layout, des Bauteils und des Produktes auf den Fehler. Auf Grund dieser Daten gestaltet sich die Ermittlung der Fehlerursache einfacher, da der Betrachtungshorizont über das fehlerhafte Produkt und die Linie hinausgeht. Gleiche Ansätze existieren für das Wellen- und Selektivlöten. Hier sind es vor allem die Ansätze zur Lotperlenproblematik, die die Vernetzung und Auswertung produktspezifi scher Fehlerbilder sehr interessant gestalten.

Sinnvoller Weise dreht man diesen Ansatz, aus Fehlern zu lernen, aber um. Die Fehlerraten in Elektronikfertigungen liegen heute im niedrigen zweistelligen ppm Bereich. Aus derart wenigen Fehlern können Software basierende KI Systeme keine Daten für einen Lernprozess ableiten. Deshalb dokumentiert man die Qualität des verarbeiteten Materials und kann dann, über die Vielzahl an Daten und einem Ausschlussverfahren, Rückschlüsse auf mögliche Fehlerursachen ziehen, falls ein Fehler auftritt.

Von vielen Mitarbeitern/innen wird diese Entwicklung kritisch gesehen, sie fürchten um die Substitution ihrer Arbeitsplätze durch Systeme die auf künstlicher Intelligenz basieren. Diese Ängste sind unbegründet, da intelligente Assistenzsysteme dem Personal in erster Linie unterstützend zur Seite stehen. Die Auswertung großer Datenmengen ist für heutige Computersysteme ein Klacks. Es lassen sich dadurch Auswertungen generieren, die eine hohe Transparenz über die gesamte Fertigung und die verarbeiteten Materialien liefern. Diese Transparenz ist sehr wichtig, trägt sie doch wesentlich zur Akzeptanz der Entscheidungen bzw. Vorschlägen der Assistenzsysteme bei.
Ein weiterer Vorteil von KI-Systemen ist der, dass sie im Gegensatz zum Menschen immer gleich entscheiden. Einflussfaktoren auf Entscheidungen, sind beim Menschen oftmals abhängig von der Tagesform, vom Stresslevel, persönlichem Befinden, wenig Schlaf etc. Bei KI-Systemen gibt es derartige Einflüsse nicht. Intelligente Assistenzsystem im Einklang mit erfahrenem Personal bilden die optimale Symbiose zur Steigerung der Qualität.

Zum Vortrag:

Dargestellt werden der Einfluss neuer Technologien im Bereich der Prozessoptimierung sowie die damit verbundenen Vorteile. Spannende Szenarien beschreiben zukünftige Entwicklungen und geben Denkanstöße zur branchenübergreifenden Umsetzung. Assistenzsysteme tragen dabei einen wesentlichen Anteil bei, sie sind als Chance zu sehen, nicht als Konkurrenz zum Personal.

Statement zum Event:

Die Entwicklung der Industrielandschaft in Europa ist ganz wesentlich von der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen abhängig. Unabhängig davon, ob man als Unternehmen lokal oder global agiert, unter den heutigen Randbedingungen, die der Weltmarkt diktiert, ist eine voraus schauende Orientierung und eine hohe Innovationsbereitschaft und –kraft unabdingbar. Nur mit stetigen Innovationen wird es gelingen mittelund langfristige Unternehmenserfolge zu sichern.

Als mittelständisches Unternehmen des Maschinenbaus mit langjähriger Tradition ist es unsere Pflicht unsere Kunden in ihren Produktionsprozessen zu unterstützen, um deren Qualität, Kosten und Lieferservice durch unseren Technologievorsprung und unsere Innovationskraft zu optimieren.

Intelligente Assistenzsysteme sind dabei ein wichtiges Detail, sie unterstützen unsere Kunden in der Entscheidungsfindung auf Basis umfangreicher Datensätze.

Wir freuen uns auf interessante Gespräche und einen regen Informationsaustausch und wünschen den Teilnehmern zielführende Kontakte zu den Experten, um ihre zukunftssichernden Projekte erfolgreich voranzutreiben zu können.

Autor des Artikels

Jürgen Friedrich Leiter Anwendungstechnik, Ersa GmbH

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