Rework

11/2023 | Fachartikel

Automatic Rework

Hochautomatisierte Baugruppenreparatur für eine nachhaltige Elektronikproduktion

Bei einer nachhaltigen Elektronikproduktion sollen alle Baugruppen aus dem Fertigungsprozess funktionsfähig in die Anwendung gelangen, zudem soll die Ausfallquote natürlich minimal sein. Eine weitere Anforderung ist die Langlebigkeit der Produkte – und reparabel müssen sie auch sein. Stabile Herstellprozesse, Nacharbeit und Reparatur sind mittlerweile etabliert. Nun fordern viele Elektronikhersteller eine weitere Automatisierung der Reparatur.

Es gibt viele Ursachen für die Nacharbeit an elektronischen Baugruppen. Zu den Gründen zählen u.a. Defekte an Bauteilen, falsche Bestückung, Brücken bzw. offene Lötstellen, falsche Programmierung, Recycling, Redesign, Prototyping, Testing, Forensik oder Upgrading. Mit einem geringeren Ausschuss an Platinen lassen sich natürlich Kosten sparen. Mittlerweile rücken aber auch Aspekte der Nachhaltigkeit stärker in den Fokus, denn trotz verbliebener Vorbehalte in einigen Branchen setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass qualifizierte Nacharbeit technisch, wirtschaftlich und umwelttechnisch sinnvoll ist. In allen Fällen ist es Ziel der Nacharbeit, eine funktionsfähige und zuverlässige Baugruppe zu erhalten.

Für eine erfolgreiche Baugruppenreparatur werden sowohl Fachkenntnis hinsichtlich Lötprozess als auch die notwendige Ausrüstung benötigt. Seit einigen Jahren zeichnet sich hierbei ein deutlicher Trend zur weiteren Automatisierung der Abläufe ab. Qualifiziertes Personal ist auch in der Elektronikproduktion immer schwieriger zu finden, die Rework-Systeme sollen deshalb möglichst viele Aufgaben automatisch ausführen können.

Automatisierter Reparatur-Ablauf

Über Jahre hinweg war die professionelle Baugruppenreparatur nur etwas für absolute Experten. Bei Reworkgeräten einiger Hersteller musste man umfangreiche Messungen durchführen, bevor man sich an die erste Live-Reparatur heranwagen konnte. Ersa hat diese Schwachstelle früh erkannt und für die Aus- und Einlötprozesse die Temperaturregelung unmittelbar am Bauteil eingeführt. Somit ist nach Vorgabe eines Sollprofils bereits bei der ersten zu reparierenden Platine für einen sicheren Wärmeprozess gesorgt. Die Temperatur wird dem Profil nachgeführt und das Zielbauteil automatisch entnommen. Gleichzeitig verfügen die automatischen Rework-Systeme von Ersa über eine ausgefeilte Systematik, um neue Bauteile präzise auf der Baugruppe zu platzieren. Dazu werden Bauteilanschlüsse und die Landeflächen auf der Platine mit Hilfe von Kameras aufgenommen und die Zielposition berechnet. Ein präzises Achssystem sorgt für die exakte Positionierung. Inzwischen hat sich sogar eine vorgelagerte, automatisierte Benetzung der Bauteile mit Flussmittel oder Lotpaste zum Standard entwickelt. Der Anlagenbediener muss lediglich die Baugruppe und das neue Zielbauteil bereitstellen sowie den zugeordneten Datensatz auswählen, um den Prozess zu starten.

Erweiterungsfähige Rework-Plattform

In der Kommunikationselektronik und der IT-Infrastruktur entstehen – wie in vielen Bereichen der Elektronik – immer leistungsfähigere Platinen mit hochwertigen Bauteilen. Besonders in den genannten Bereichen macht sich eine erfolgreiche Reparatur sehr schnell bezahlt. Deshalb hat Ersa seine Rework-Plattform HR 600 XL so konzipiert, dass sie modular erweiterbar ist. Die Bearbeitung großer Baugruppen wurde mit der erweiterbaren Untenheizung und einer dazu passenden Leiterplattenaufnahme auf Boardgrößen von bis zu 650 x 1.250 mm ausgelegt. Die Matrixheizung erlaubt es, die enorme Heizungsfläche den Abmessungen der Baugruppe anzupassen und die Leistungsverteilung der Vorheizung exakt auf die Anwendung zu dimensionieren.

Mit Hilfe von wechselbaren Heizköpfen lässt sich das System an die jeweiligen Kundenbedürfnisse anpassen. Die Anwender können sich für unterschiedliche Heizkopfgrößen entscheiden – je nach Bauteilgröße und Energiebedarf. Mit dem größten Heizkopf mit 150 x 120 mm Wirkfläche und 2.800 Watt Gesamtleistung können sowohl sehr große Bauteile aus- und eingelötet als auch ein besonders schonender Prozess im Bereich Upgrading durchgeführt werden. Einige OEM-Hersteller verfolgen die Strategie, bestehende Baugruppen durch die Ausstattung mit leistungsfähigeren Bauteilen upzugraden. Hierbei ist zu beachten, dass die Baugruppe möglichst schonend behandelt wird und so wenige zusätzliche Wärmeprozesse wie möglich durchlaufen muss. Mit einem großen Heizkopf und einer Doppeldüse lassen sich Bauteile in einem gemeinsamen Wärmeprozess auslöten. Anschließend werden die Anschlussflächen beider Bauteile vorbereitet, zwei neue Komponenten platziert und diese wiederum mit einem gemeinsamen Wärmeprozess eingelötet. Neben der schonenden Behandlung der Materialien spart dieses Vorgehen auch Prozesszeit und erhöht so die Produktivität.

Zusätzliche Funktionen für Restlot und Messung

Für die Plattform HR 600 XL stehen inzwischen zusätzliche Funktionen zur Verfügung, die die Abläufe weiter automatisieren. Sie sind auch an bestehenden Systemen nachrüstbar. Nach dem Entlöten eines Bauteils muss in der Regel verbliebenes Restlot von der Platine entfernt werden. Mit dem „Auto Scavenger“-Modul steht dafür nun eine voll integrierte Funktionseinheit zur Verfügung. Unmittelbar nach Entfernen des Bauteils wird die Absaugdüse des Auto Scavenger über der Platine abgesenkt und das Restlot automatisch kontaktlos abgesaugt. Hierbei wird die Baugruppe mittels Untenheizung auf Temperatur gehalten und über eine Heißgasdüse das verbliebene Lot umgeschmolzen. Da der Auto Scavenger ein eigenständiges Modul ist, entfällt für den Anwender die Rüstzeit.

Auch bei der Temperatur-Erfassung gibt es zusätzlich zu den bewährten Temperatursensoren (K-Typ-Thermoelemente) einen berührungslosen Sensor (Virtual Thermocouple, kurz Virtual-TC), um die Lötprozesse exakt zu regeln. Dabei liegt die Raffinesse im Detail: Üblicherweise messen optische Sensoren unterschiedliche Temperaturen – je nachdem, wie die Oberfläche des Bauteils beschaffen ist. Ersa dagegen lernt den VirtualTC initial auf die Temperatur eines Referenz-Thermoelements ein. Alle nachfolgenden Lötvorgänge an der gleichen Baugruppe werden dann unter Verwendung des berührungslosen Sensors sicher gefahren. Hier profitieren vor allem für Kunden, die viele gleiche Baugruppen bearbeiten, denn das wiederholte Anlegen eines Thermoelements kann künftig entfallen.

Über die systemübergreifende Software-Plattform HRSoft 2 werden alle Ersa Reworkgeräte gesteuert und bedient. Sämtliche Prozessparameter werden zentral gespeichert und es bestehen Schnittstellen zu Manufacturing-Execution-Systemen (MES), um Prozessdaten auszutauschen. Somit ist der Weg zur weiteren Automatisierung von Rework-Prozessen klar vorgezeichnet. Auf der productronica 2023 in München werden diese Neuerungen sowohl für das HR 600 XL zu sehen sein und gleichzeitig am HR 600 P präsentiert. Dieses neue, hochautomatisierte Rework-System richtet sich an Kunden mit besonders kleinen Bauteilen bis zur Chipgröße 01005. Ersa ist somit beim Thema Rework optimal aufgestellt und bietet neben automatisierten Systemen auch teilautomatisierte bzw. handgeführte Reworksysteme – so sind alle Anwendungen in puncto Rework je nach Bedarf ideal abgedeckt!

Highlights Automatisierung:

  • geregelte „Closed loop“-Lötprozesse
  • automatische Bauteilplatzierung
  • automatische Flux-Dip-Funktion
  • Doppeldüse für Prozessoptimierung
  • Restlot-Entfernung mit Auto Scavenger
  • berührungslose Temperaturmessung mit Virtual Thermocouple
  • HRSoft 2 – Prozessführung und Prozessdatenerfassung mit MES-Anbindung

Autor des Artikels

Jörg Nolte Produktmanager Lötwerkzeuge, Ersa GmbH

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